Reise nach Auschwitz und Orhei 2025
Gleich zu Beginn- diese Reise hat leider nicht stattgefunden!
Vor einiger Zeit hatte ich die Idee das Datum auszurechnen, an dem ich genau so alt sein werde wie Kogan, als er am 13.2.1943 in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde. Da war er genau 63 Jahre, 9 Monate und 18 Tage alt. Das bedeutet, dass ich am 18.10.2025 sein Alter erreichen werde. Ich schaute in meinen Kalender und war überrascht, dass ich genau in dieser Zeit eine Woche Urlaub geplant hatte. Sollte ich es wagen an diesem Tag in Auschwitz zu sein, um in der inneren Verbindung zu Kogan den Weg in das Vernichtungslager Birkenau zu gehen- nicht um zu sterben, sondern um weiterzuleben? Etwas verrückt und unheimlich kam mir die Idee vor, aber sie hat mich gefesselt. Diese Reise würde zudem fast 10 Jahre nach meiner ersten stattfinden. Am 25.11.2015 war ich im Rahmen des Projekts zum ersten Mal in Auschwitz-Birkenau (s. „Auschwitz 2015“)
So fasste ich den Entschluss die Reise anzutreten.
Doch wie soll sie sich diesmal gestalten? Bei der ersten Reise berührte mich v.a. der Weg von der sogenannten Judenrampe, die ausserhalb des Lagers liegt, zum bekannten Tor vom Lager Birkenau, da hindurch und über das weitreichende Gelände zu den Krematorien. Wäre es möglich, dass ich diesen Weg in Innerlichkeit und Stille gehe, das Portrait von Kogan vor mir tragend? Es kam in mir der Wunsch auf diese Performance filmisch zu dokumentieren. So nahm ich Kontakt mit Kerstin Pommerenke auf, einer Dokumentarfilmerin, die auch gleich Interesse zeigte und bereit war mich nach Auschwitz zu begleiten
Das Buch „Deutschlands Chance: Mit dem Schatten versöhnen“ von Barbara von Meibom, in dem es um die Heilung des Traumas des Nationalsozialismus und des Holocaust geht und das ich in diesem Sommer gelesen habe, hat mich sehr bewegt. Ich nahm Kontakt mit der Autorin auf, um zu fragen, ob sie durch ihre mit dem Buch verbunden Reise nach Auschwitz noch Beziehungen zu Menschen vor Ort habe. So bekam ich eine Adresse, über die ich im Museum nach einer Drehgenehmigung für meinen Film anfragen konnte. Leider bekam ich eine Absage, da künstlerische Aktionen laut den Statuten innerhalb der Gedenkstätte nicht erlaubt sind. Das war eine Enttäuschung für mich.
Im Gespräch mit einer Freundin kam der Impuls auf, die Reise zu Kogans Sterbeort mit einer Reise zu seinem Geburtsort zu verbinden. Dieser Bogen zurück zu seinem Herkunftsort könnte seiner Seele vielleicht etwas Heilendes geben. Und so stünde der gewaltsame Tod mit all den traumatischen Erlebnissen nicht im Mittelpunkt.
Kogan ist am 26.5.1871 in Orgejew im russischen Bessarabien (heute Orhei in der Republik Moldau) geboren. Die Planung der Reise zu diesem Ort öffnete mir eine neue unbekannte Welt. Dieser Landstrich hat eine wechselreiche Geschichte, einmal russisch, dann osmanisch, rumänisch, ukrainisch und jetzt eine unabhängige Republik.
Und es gibt überraschender Weise Bezüge zu Deutschland. Von 1810 bis 1940 gab es im Süden, nahe des Schwarzen Meeres, deutsche Siedler- die sogenannten Bessarabiendeutschen. Einige Familien machten sich aus Baden auf in das ferne Land, reisten mit ihrem Hab und Gut nach Ulm, von wo aus sie mit kleinen Booten die Donau hinunter fuhren und über das Schwarze Meer ihre neue Heimat erreichten. Im August 1944 gab es bei Chisinau (der Hauptstadt) eine ähnlich große Schlacht wie in Stalingrad zwischen der Wehrmacht und der Roten Arme, in deren Verlauf die deutsche Armee aufgerieben wurde und es zu unzähligen Verlusten auf beiden Seiten kam. Ich plante den Soldatenfriedhof bei Chisinau zu besuchen. Orhei liegt etwa 50 km nördlich der Hauptstadt. Es wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und wurde in der Sowjetzeit in deren Stil neu gestaltet. Die Stadt, wie sie Kogan erlebt hatte, gibt es nicht mehr. Sein Geburtshaus ist verschwunden. Ich nahm Kontakt auf mit der Jüdischen Gemeinde in Orhei und mit dem Historischen Museum der Stadt. So langsam wurde ich warm mit mit diesem Ort. Was würde ich dort wohl erleben? Und es entstand die Idee, diese Reise als Startpunkt eines Dokumentarfilms über das Moissey Kogan Projekt zu nehmen.
So sah der Plan der einwöchigen Reise aus: Flug von Basel nach Krakau, mit dem Zug nach Auschwitz und zurück, dann Zugreise nach Warschau, Flug von Warschau nach Chisinau, mit dem Bus nach Orhei, zurück nach Chisinau, Flug von Chisinau nach Stuttgart und mit dem Zug nachhause.
Und dann hat mich mein linkes Knie „ausgebremst“. Schmerzen schränken meine Beweglichkeit so ein, dass ich kleinere Distanzen nur mit Gehstützen bewältigen kann. So muss ich leider diese Reise absagen. Ich bin sehr traurig darüber, da ich mich intensiv auf sie vorbereitet habe. Ich bin mir aber sicher: die Reise nach Orhei werde ich eines Tages auf jeden Fall nachholen.