Kogan in Bremen 2019

Die Urlaubsplanung führte uns dieses Jahr an die Nordsee. Mir fiel ein, dass 2002 eine große Kogan-Ausstellung im Gerhard Marcks Haus in Bremen stattgefunden hatte. Im Rahmen meiner Recherche fand ich auf der Homepage des Museums den Hinweis auf drei sich in der Sammlung befindlichen Werke von Kogan. Ob es wohl möglich wäre, diese zwei Grafiken und das Relief zu Gesicht zu bekommen? Das würde einen Tagesausflug nach Bremen lohnen. Auf meine Anfrage bekam ich eine positive Antwort von Dr. Veronika Wiegartz, der Kustodin und Stellvertreterin der Museumsdirektion, und wir vereinbarten einen Termin.

Frau Dr.Wiegartz empfing uns sehr freundlich in den im Kellergeschoss liegenden Büroräumen des Museums. Gespannt warteten wir, als sie uns vor einem leeren Tisch zurückließ, um die Stücke aus den „Katakomben“ zu holen. Sie brachte zuerst die beiden Linolschnitte: ‘Mädchen mit Chrysanthemen’ und ‘Zwei hockende Mädchenakte’. Das Motiv der hockenden Mädchen erinnerte mich sehr an die Radierung, die ich von Kogan besitze. Die Spannung stieg – gleich würde ich die erste originale Plastik von Kogan sehen! Und dann lag sie schließlich vor mir, und ich konnte sie ausgiebig betrachten. Ja, ich durfte sie sogar in meinen Händen halten und konnte lange in mich hineinsinnen.

Ich war erstaunt über die Kleinheit des in Terracotta gearbeiteten Reliefs. Es strahlt etwas von einem Altar in Miniatur aus. Zwei übereinanderstehende Räume sind dargestellt, die jeweils mit einem bogenförmigen Himmel abschließen. Im oberen Raum sieht man zwei sich gegenüber knieende, nackte weibliche Wesen, die sich ihre Hände zustrecken. Tragen sie gemeinsam etwas Unsichtbares, das sich zwischen ihnen befindet? Im unteren Raum sind vier Personen dargestellt. In der Mitte stehen zwei sich gleichende weibliche Figuren, gekleidet in lange Gewänder und jeweils die Arme vor der Brust gekreuzt. Sie sehen aus wie Göttinnen, haben etwas Statisches an sich. Vom Betrachter aus links neben ihnen kniet eine ihnen sich ehrfürchtig zuneigende männliche Person. Auf der rechten Seite ‘spiegelt’ sich diese Person in weiblicher Ausführung. Das Relief ist in der für Kogan so typischen Weise des Negativschnittes ausgeführt. Das hier zu sehende Positiv entstand also durch das Ausformen des Gipsnegativs mit weichem Ton. Kogan hat es in seiner besonderen, ihm eigenen Art durchgeführt, an der man ihn so gut wiedererkennt. Der in die Form gedrückte Ton wirkt fast wie unachtsam bearbeitet. Faltungen bleiben sichtbar stehen. Beschädigungen, die durch das Abziehen des Tones aus der Form entstanden sind, werden belassen. Der Rand des Reliefs darf so provisorisch bleiben, wie er entstanden ist. Die Rückseite scheint mit einem nassen Schwamm bearbeitet zu sein, vielleicht in der Absicht, eine relativ einheitliche Oberfläche entstehen zu lassen.

Wie ist ein Künstler geartet, der solch rätselhafte Motive wählt, der so unbekümmert mit dem Material umgeht? Ich glaube, dass ich Kogan wieder ein wenig näher gekommen bin. Beglückt verabschiedeten wir uns von Frau Dr. Wiegartz und ihren Mitarbeiterinnen. Vielen Dank für dieses besondere Erlebnis!