Seit Mai 2015 beschäftige ich mich mit dem Leben und Werk von Moissey Kogan, einem russisch-jüdischen Bildhauer, der 1879 in Orhei (heute Moldawien) geboren und 1943 in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde. Oder soll ich eher sagen, dass er mich seither beschäftigt?

Seit meiner Jugend begleitet mich das Thema Holocaust. Wie konnte so etwas in einem hochzivilisierten Land wie Deutschland geschehen? Und wie gehe ich als Deutscher damit um, der zwar 17 Jahre nach Kriegsende geboren ist, aber spürt, wie dieser Gewaltakt „in den Knochen steckt“. 

Verschiedene Orte der Erinnerung hatte ich besucht, doch nicht das Zentrum des Grauens- das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Ich konnte mir nicht vorstellen als Tourist an diesen Ort zu reisen. Ließe sich die Reise eventuell verbinden mit einer Kunstaktion? So suchte ich nach einem Bildhauer, der in Auschwitz ermordet wurde. Ob ich vielleicht irgendetwas in seinem Sinne fortsetzen kann, einen Faden weiterspinnen … ?

Bei meiner Recherche im Internet bin ich dann auf Moissey Kogan gestoßen. Ich gab bei Google „Bildhauer Auschwitz“ ein und gleich auf der zweiten Seite erschient er, bzw. ein Foto von seinen Arbeiten. Sie sprachen mich sofort an. Unsere Geschichte begann. Mir fiel später auf, dass ich ihn just an seinem Geburtstag gefunden habe.

Nun versuchte ich so viel wie möglich über Kogan zu erfahren. Es gibt verschiedene Hinweise im Internet und dann auch mehrere Bücher. Ich fing an mich in sein Leben einzuarbeiten und auch in seine Arbeiten und Arbeitsweisen. Eine neue interessante Welt tat sich für mich auf. Ich war gefesselt und spürte, dass Kogan und ich etwas miteinander zu tun haben.

Und so fasste ich den Entschluss meine Diplomarbeit 2015/2016 an der Edith Maryon Kunstschule dem Thema „Eva- eine hommage an Moissey Kogan“ zu widmen. Zum Einen schrieb ich unsere Geschichte auf, zum Anderen entstanden die Arbeiten „Springende“ aus Treuchlinger Kalk und „Kniende in Gold“ in Gipsguss und Schlagmetall.

Im Juni 2015 enschied ich mich für eine Reise nach Ascona, um mich für eine Woche an diesem von mir sehr geliebten und seit meiner Jugend oft bereisten Ort vertieft mit Kogan zu beschäftigen. Ich packte meine Bücher, Zeichenmaterial und Ton ein. Durch freies Kopieren wollte ich in seine Formensprache eintauchen. Wie erstaunt war ich, als ich zufällig zwei Tage vor der Hinfahrt ein Foto von Kogan in Ascona gefunden habe und so erfuhr, dass er an diesem Ort gelebt hat. Der Aufenthalt im Tessin war dadurch geprägt und liess das Band zwischen uns wachsen.

Ein Höhepunkt dieses Jahres war die Reise nach Auschwitz im November 2015. In diesem Zusammenhang fiel mir auf, dass Kogan in Birkenau gestorben ist und ich in Birkenfeld geboren bin. Die Birke hat einen Bezug zur Venus, die wiederum für die Weiblichkeit steht. Und das ist unser gemeinsames Sujet.

Nach dem Diplomabschluss ging unsere gemeinsame Geschichte weiter. Und es ist noch kein Ende abzusehen.

Im Folgenden erzähle ich von den Reisen zu Lebensorten von Moissey Kogan.