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weitere Arbeiten von mir 

 

 

MOISSEY KOGAN PROJEKT

 

 

 

Am 25.5.2015 bin ich durch „Zufall“ auf den Bildhauer Moissey Kogan gestoßen. Aus der Beschäftigung mit seinem Leben und seinem Werk (v.a. durch meine Diplomarbeit) resultierten- und resultieren weiterhin- überraschende Geschichten und Begegnungen. Im Rahmen des Moissey Kogan Projekts möchte ich diese Erlebnisse, die mich immer wieder tief berühren, mit Interessierten teilen. Die Chronologie der „Geschichte“ ist so gegliedert, dass der jeweils letzte Bericht an erster Stelle erscheint. 

 

Inhaltsverzeichnis

   Kogan in Paris (2023)

  Gedenkstunde zu Kogans 80.Todestag (2023)

   Kogan in Berlin (2022)

  Kogan in Deurne (2022)

  Kogan in Weimar (2021) 

  Kogan in Neuss (2021) 

   Kogan in Zürich (2020)

   Kogan in Ascona (2020)

  Kogan in Bremen (2019)

  Kogan in Paris (2019)

  Im Blog von Helen Shiner (2019)

  Eine wundersame Begegnung- Veranstaltung zum 75.Todestag (2018)

  Das erste Original (2017)

   EVA- eine hommage an Moissey Kogan (2015-2016) Link

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Kogan in Paris 2023

Nun bin ich nach vier Jahren wieder in Paris. 2019 hatte ich bei meiner Spurensuche in dieser von Moissey Kogan so geliebten Stadt dessen verschiedene Wohn- und Arbeitsorte aufgesucht. Dieses Mal gilt meine Aufmerksamkeit dem vorletzten Aufenthaltsort in seinem Leben, dem Internierungslager Drancy, von wo aus er nach Auschwitz transportiert wurde und den Tod fand.

In Paris gibt es im Zusammenhang mit dem Holocaust zwei Erinnerungsstätten: Memorial de la Shoah im Stadtzentrum, rue Geoffroy l'Asnier und Memorial de la Shoah im Vorort Drancy, avenue Jean-Jaurès.

Beim Eintritt in das Memorial im Stadtzentrum werden strenge Sicherheitskontrollen durchgeführt. Auch vor dem Gebäude steht Security-Personal. Ich schaue mir zunächst die permanente Ausstellung an. Sie stellt die europaweite Entwicklung dieses schrecklichen Geschehens dar. Vieles kenne ich aus anderen Ausstellungen- Yad Vashem, Auschwitz, Jüdisches Museum Berlin usw. Immer wieder berühren mich die Beschreibungen und Fotos zutiefst und machen mich traurig. Wie konnte es geschehen, dass in unserem scheinbar so kultivierten Lebensraum solch eine Maschinerie der Entmenschlichung entstehen konnte? Erinnerungskultur ist für mich in diesem Zusammenhang eine wichtige Geste für all diese unschuldigen Opfer. Sie dürfen trotz des sinnlosen Todes nicht vergessen werden.


Eingravierung in die "Mauer der Namen"Eingravierung in die "Mauer der Namen"Im Innenhof steht die „Mur des Noms“- die Mauer der Namen- in die die 72000 Namen der Männer, Frauen und Kinder eingraviert sind, die zwischen 1942 und 1944 aus Frankreich deportiert wurden. Ich gehe sie entlang und finde ihn: Moïse Kogan 1879. Ich begebe mich in den vierten Stock, in die Abteilung Dokumentation, um nach Unterlagen über Kogan zu fragen. In dem Lesesaal herrscht bedrückende Stimmung. Einzelne Besucher und kleine Gruppen, wahrscheinlich Familien, sitzen vor Dokumenten und an Bildschirmen. Sie wirken betroffen. Ich möchte die Frau am Informationstisch nach Dokumenten über Kogan fragen, aber zwei Frauen, eine jüngere aktivere und eine ältere zurückhaltende, haben viele Fragen an sie. Die jüngere Frau hält ein Blatt mit einer Kopie eines Gruppenfotos in der Hand und weint zeitweise. Nach einer Weile gehe ich leise und unverrichteter Dinge aus dem Raum.

 

 

Gerne nehme ich die Möglichkeit des Bus-Shuttles in Anspruch, den die Gedenkstätte im Stadtzentrum zum Besuch einer Führung in der Aussenstelle in Drancy sonntags anbietet. Es ist eine kleine Gruppe von ca. 20 Besuchern, die sich am Nachmittag am Treffpunkt einfindet. Beim Einsteigen in den Bus lächelt mich eine ältere Frau in der ersten Reihe freundlich an. Ich überlege einen Moment, ob ich mich zu ihr setze, nehme dann aber einen Platz weiter hinten ein. Im regen Pariser Stadtverkehr dauert die Fahrt in den Vorort ca. 45 Minuten. Das Informationszentrum befindet sich in einem Neubau auf der gegenüberliegenden Straßenseite vom ehemaligen Lager. Da die Führung auf Französisch erfolgt und ich die Sprache nur wenig beherrsche, sondere ich mich ein wenig ab und schaue mich um. Der älteren Frau geht es wohl ähnlich. Wir kommen ins Gespräch und sie erzählt mir auf Englisch, dass sie aus Washington angereist sei und kein Französisch verstehe. Sie schaut mich ein wenig verwundert an, als ich ihr sage, dass ich aus Deutschland komme. Sie sei auch schon in Berlin im Jüdischen Museum gewesen und habe die Holocaust-Gedenkstätte besichtigt. Ich überlege mir, ob ich sie nach dem Grund ihres Besuchs frage und ich ihr meine Geschichte mit Kogan erzählen soll. Ich bin mir sicher, dass sie Jüdin ist. Etwas hemmt mich. Sie würde sich bestimmt freuen. Irgendwie habe ich Sorge, dass sie es als Anbiederung ansehen könnte. Der Enkel der Tätergeneration will etwas gut machen. Zum ersten Mal erlebe ich bei mir diese Reaktion. Sie führt dazu, dass ich die Frau nicht anspreche. Was hätte aus dieser Begegnung entstehen können?

Es folgt eine Begehung des Geländes der „Cité de la Muette“. Zunächst stehen wir am Denkmal des Bildhauers Philipp Hertzog, zu dem auch ein originaler Eisenbahnwaggon gehört. Wir erfahren, dass die Gefangenen aber mit einem Bus zu den nächsten Bahnhöfen Gare de Bobigny oder Gare du Bourget gebracht wurden, von wo aus die Reise in die Konzentrationslager startete. Das große fünfstöckige Gebäude, ein U mit 200m Länge und 80m Breite und einem ausladenen, mit Bäumen bepflanzten Innenhof, ist heute von vielen Familien bewohnt- wohl alle mit Migrationshintergrund. Wir erfahren, dass das Gebäude sich noch im Rohbau befand, als das Lager eröffnet wurde. Es gab kein Wasser, keinen Strom, keine Möbel. Sanitäranlagen wurden provisorisch im Hof eingerichtet. Die Räume waren völlig überfüllt.

 Cité de la MuetteCité de la MuetteCité de la MuetteCité de la Muette

 

 

 

 

 

 

 

 

 Moissey Kogan wurde am 4.2.1943 in Paris verhaftet, als er sein sicheres Versteck verließ. Er wurde nach Drancy gebracht. Kogan hat bestimmt auf Hilfe seiner zum Teil einflussreichen Freunde gehofft. Wie sehr enttäuscht muss er gewesen sein, als dies nicht eintraf? Eine Woche später, am 11.2., begann seine zweitägige Reise nach Auschwitz, durch Frankreich, Deutschland und Polen. Die Reise ist mit all ihren Zwischenstopps dokumentiert, u.a. Metz, Saarbrücken, Frankfurt, Dresden, Görlitz und Kattowitz. (In Görlitz hatte meine Mutter zwei Wochen vor der Durchreise des Zugs ihren achten Geburtstag gefeiert.) Am 13.2.erreichte der Transport das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Es wird davon ausgegangen, dass er auf Grund seines Alters von 63 Jahren noch am selben Tag in der Gaskammer getötet wurde. In meinem Beitrag „Eva- eine hommage an Moissey Kogan“, auf dieser Homepage, berichte ich von meiner Reise nach Auschwitz im November 2015, an den Ort, wo das Leben dieses besonderen Bildhauers zu Ende gegangen ist.

Transport in die UngewissheitTransport in die Ungewissheit

 

 

 

 

 

 

 

 

Als unsere kleine Besuchergruppe mit dem Bus wieder im Zentrum von Paris ankommt, gebe ich der Amerikanerin zum Abschied die Hand. Da umschließt sie meine Hand mit ihren beiden und schaut mir freundlich in die Augen. Diese besondere Geste habe ich vor einigen Jahren einmal erlebt- als mich eine junge Israelin begrüßte.

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Gedenkstunde zu Kogans 80.Todestag

Vor 5 Jahren veranstaltete ich in München die Gedenkstunde zum 75.Todestag von Kogan (s. unten). Nun- zum 80.Todestag- war es mir ein Anliegen, dass die Feier  in der Nähe meines Wohnortes stattfindet. Sie sollte auch für Freunde und Bekannte erreichbar sein, von denen manche schon lange das Moissey-Kogan-Projekt begleiten. So war es eine große Freude für mich, dass mir die Leiterin des Kulturzentrum3Klang in Sulzburg-Laufen, Barbara Graf, dessen schönen Saal angeboten hat. Nun konnte die Planung beginnen. Kogans Todestag ist der 13.2.1943. Es ergab sich, dass der Termin auf den 12.2.2023 um 17 Uhr gelegt werden konnte, auf den Abend vor der Ermordung in Auschwitz-Birkenau. Titel und Untertitel lauteten "Eine wundersame Begegnung, Gedenkstunde zum 80.Todestag von Moissey Kogan, Versuch einer künstlerischen Begegnung". Mir war es wichtig, dass die Veranstaltung kein reiner Vortragsabend wird, sondern ein Fest für Kogan. Für ein Fest benötigt es Musik, Tanz und ein gutes Buffet. Und durch den Zusammenklang glücklicher Ereignisse wurde es wirklich ein Fest. 

Die Einladungen, die Plakate, der schöne Vorab-Artikel von Christine Speckner in der Badischen Zeitung zeigten ihre Wirkung. Der Saal füllte sich rasch und es mussten noch einige zusätzliche Stühle aufgestellt werden. Die Bühne war mit vier großen Arbeiten von mir bestückt. In der Mitte stand ein Tischchen mit einem Foto von Kogan und einer Rose und einer brennender Kerze.

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach der Begrüßung gab ich einen Einblick in Kogans Leben und in seine Kunst. Ich hatte verschiedene Fotografien zusammengestellt, die ich über Beamer groß an die Wand werfen konnte. Dann erzählte ich wesentliche Momente des Moissey-Kogan-Projektes und erläuterte was es mit der "wundersamen Begegnung" auf sich hat.

 

 

 

 

 

 

 

Was hat die Birke und die Venus damit zu tun?  Claudia Kraus- eine Tänzerin und Performerin- rezitierte im Anschluss das sehr berührende Gedicht "Geburt der Venus" von R.M. Rilke.  Mein Freund Volker Kubach, Theologe, bereicherte die Veranstaltung mit einem lebendigen Beitrag zur Anima in der Funktion der Muse des Künstlers. Weiblicher Akt, Birke, Venus, Anima... dass da ein Zusammenhang besteht, das wurde an dieser Veranstaltung deutlich. Als krönender Abschluss spielten Barbara und Daniel Graf, Cello und Klavier, das von mir geliebte Stück "Spiegel im Spiegel" von Arvo Pärt. Claudia Kraus entwickelte eine wunderschön passende Choreographie zu dieser Musik. So verschmolzen in dieser meditativen Stimmung die Skulpturen mit der Musik und dem Tanz. Da fühlte es sich nach Anwesenheit von Moissey Kogan an.

 

 

 

 

 

 

 

 

v.l.n.r. Barbara Graf, Claudia Kraus, Daniel Graf, Torsten Kleiner, Volker Kubachv.l.n.r. Barbara Graf, Claudia Kraus, Daniel Graf, Torsten Kleiner, Volker Kubach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach dem Applaus wurde  das sehr leckere Buffet eröffnet, das von Maud Consigny organisierte und zubereitet war. Ich war erfreut darüber, dass viele der Gäste diese Gelegenheit zu ausgiebigem Gespräch und langem Verweilen nutzten. Es war eine erfüllende Veranstaltung. Ich bin sehr dankbar dafür.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Kogan in Berlin 2022 

Vor 100 Jahren, im Oktober 1922, fand in Berlin die erste Einzelausstellung von Moissey Kogan in der von Alfred Flechtheim neu eröffneten Galerie (Lützowufer 13 am Tiergarten) statt. Kogan lebte damals zeitweise in der Lützowstraße, ganz in der Nähe der Galerie. Der jüdische Galerist Flechtheim hat Kogan bis 1933 gefördert, bis er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Galerie verkaufen musste und Deutschland verließ. In dem Artikel von Helen Shiner „Eine von allem Wirklichen abstrahierende Vorstellungskraft, auf den Spuren der Plastik von Moissey Kogan in der Galerie Flechtheim“ in dem Buch „Sprung in den Raum, Skulpturen bei Alfred Flechtheim“ im Nimbus Verlag wird die fruchtbare Zusammenarbeit von Künstler und Galerist sehr schön beschrieben.

LützowstraßeLützowstraße

Lutzowufer 13Lutzowufer 13

Kastanie gegenüber der Galerie FlechtheimKastanie gegenüber der Galerie Flechtheim

 

 

 

 

 

 

 

  

Ich beginne meine Spurensuche vom S-Bahnhof Tiergarten aus. Zu Fuss geht es durch Parkanlagen und wenig belebte Straßen am Landwehrkanal entlang. Es ist kalt, aber die Sonne wärmt mir das Gesicht. Ich finde den Weg zum Lützowplatz, an dem die Lützowstraße beginnt. Ich bin von der Atmosphäre enttäuscht, da die Häuser der Straße keinen Bezug mehr zu der Zeit von 1922 haben. Wahrscheinlich war hier im Krieg alles zerstört worden. Wenige Minuten später komme ich zum Lützowufer 13, dem Platz, an dem sich die Galerie von Alfred Flechtheim befand. Hier steht nun ein noch nicht ganz fertiggestellter Neubau. Das Haus links daneben sieht nach alter Bausubstanz aus. Hier ist Kogan vor 100 Jahren ein und aus gegangen. Und mit ihm die Größen der Moderne. Ich stelle mich auf die kleine Bogenbrücke des Kanals, von wo ich einen schönen Blick auf das Gebäude habe. Ich stehe im Schein der tiefstehenden Sonne, trinke einen Tee aus der Thermoskanne und versuche mich in die damalige Zeit zu versetzen. Am Ufer gegenüber der Galerie steht eine wunderschöne Kastanie. Mir gefällt dieser Ort.

 

Denkmal für die ermordeten Juden in EuropaDenkmal für die ermordeten Juden in Europa

 Amazone zu Pferd auf der MuseumsinselAmazone zu Pferd auf der Museumsinsel

 

 

 

 

 

 

 

Mein Weg führt mich weiter in das Zentrum von Berlin, über den Potsdamer Platz, am Denkmal für die ermordeten Juden Europas vorbei- wo ich kurz verweile- zum Brandenburger Tor, und zur Neuen Wache, wo ich die von mir geliebte Pietà von Käthe Kollwitz besuche. Humboldt Forum und Museumsinsel. Die Museen sind schon geschlossen, aber ich will unbedingt die Amazone zu Pferde von Louis Tuallon sehen die im unbeleuchteten Innenhof steht. Beim Hackeschen Markt endet meine Wanderung.

 

Zwei Tage später treffe ich mich mit Avitall Gerstetter, der Kantorin der jüdischen Gemeinden in Berlin, bzw. war sie dies bis zu ihrer Kündigung im August diesen Jahres. Im Magazin „a tempo“ hatte ich ein interessantes Interview mit ihr gelesen. Da entstand in mir der Impuls, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Ich berichtete ihr per Mail vom Moissey Kogan Projekt und wollte von ihr wissen, was sie davon hält. Ihre herzliche Antwort ließ in mir den Wunsch entstehen, mit ihr persönlich über mein Projekt zu sprechen. Und so freute es mich sehr, als sie mich in das jewish center for arts and culture in Charlottenburg einlud.

Besuch bei Avitall GerstetterBesuch bei Avitall Gerstetter

Bildgießerei Hermann NoackBildgießerei Hermann Noack

 

 

 

 

 

 

 

 

Es ist ein kalter Tag, der Wind pfeift mir um die Ohren. Ich bin wie immer zu früh dran. So kann ich mich noch ein wenig umschauen. Das Center befindet sich in einem neuen modernen Komplex am Spreebord. Ich bin überrascht, dass sich in ihm auch die Bildgießerei Hermann Noack befindet, die schon seit 125 Jahre besteht und Bronzen von berühmten Künstlern gegossen hat, so z.B. auch die Amazone auf der Museumsinsel. Ich werde freundlich von Avitall begrüßt und in den Salon geführt. In der knappen Stunde unseres Gesprächs kann ich meine Fragen anbringen. Was macht es mit den heute lebenden Jüdinnen und Juden in Deutschland, wenn von einem Nichtjuden wie mir „unserer“ toten jüdischen Mitbürger, der Opfer des Holocaust, gedacht wird? Welche Kultur, welche Rituale gibt es im jüdischen Glauben im Umgang mit Verstorbenen? Am 12.2.23 werde ich eine Gedenkstunde zum 80.Todestag von Moissey Kogan gestalten. Ich bitte Avitall darum, mir einen Text, ein Gebet zu geben, um dies in die Veranstaltung integrieren zu können. In unserem Gespräch wird mir deutlich, wie kompliziert und belastet das heutige jüdische Leben in Deutschland ist. Avitall wurde gekündigt wegen eines kritischen Artikels über Konvertiten, die das Amt von Rabbinern begleiten. Sie erklärt mir, warum dieses Thema in bezug auf Deutschland aus ihrer Sicht heikel ist. Ich spüre, dass Avitall durch die derzeitige Situation belastet ist. Ich wünsche ihr viel Kraft für ihr Projekt „Salon Avitall“, bei dem es um kulturellen Austausch zwischen den Religionen geht. Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch. Beim Gehen schaue ich mir noch die großen Bronzeskulpturen im Innenhof an.

Wird dieser Besuch ein neues Kapitel für das Projekt öffnen und mir eine Verbindung zum heutigen jüdischen Leben ermöglichen? Ich bin gespannt.

 

Kogan in Deurne 2022

Die Freundschaft zu dem Maler Otto van Rees und dem Dorfarzt Hendrik Wiegersma führte Kogan immer wieder nach Deurne, einer kleinen Stadt im Brabant in den Niederlanden.

Der Maler Otto van Rees war nach der Zeit in Ascona, in der auch das Portrait von Kogan entstanden war, zurück in seine Niederländische Heimat gezogen und wohnte mit seiner Familie von 1922 bis 1927 auf dem Anwesen „Klein Kasteel“ in Deurne. Kogan kam öfter zu ihm auf Besuch. Sie kannten sich schon seit ca. 1905, durch eine gemeinsame Wohnzeit im Bateau Lavoir in Paris.

In Deurne lernte Kogan durch van Rees den Arzt Hendrik Wiegersma kennen, der mit alternativer Medizin sehr erfolgreich war. Wiegersma wohnte mit seiner Familie im Haus „de Wieger“. Er wurde von van Rees und Kogan zum Malen animiert, in dessen Folge er ein in der Region bekannter Künstler wurde. Kogan besuchte ihn regelmässig bis Ende der dreißiger Jahre. „Klein Kasteel“ ist heute in privater Hand, das Haus von Wiegersma ist zum Museum de Wieger ausgebaut

Nachdem ich am späten Abend angereist war und noch kurz das Museum de Wieger von aussen angeschaut habe, schreibe ich in meiner Unterkunft eine Mail an Tjerk Wiegersma, dem Enkel von Hendrik Wiegersma, dass ich im Rahmen meines Projektes hier in Deurne bin. Ich hatte 2017 von ihm eine Radierung von Kogan erstanden. Er antwortet am nächsten Morgen überrascht, da er nämlich am Tag zuvor zufällig auch im Museum de Wieger war. Wir hatten uns leider um wenige Stunden verpasst. Er versorgt mich noch mit den hier veröffentlichten Fotos, die ich für meinen Bericht verwenden darf. Durch ihn erfahre ich, wo sich das Fenster befindet, an dem Kogan bei der Aufnahme saß.

 "Klein Kastell""Klein Kastell"

Ich besuche zunächst das wunderschön gelegene und gestaltete „Klein Kasteel“, von einem malerischen Wassergraben umgeben. Da es ein Privatgrundstück ist, kann ich das Gelände nicht betreten. Deshalb setzte ich mich auf eine Bank an der Straße mit Blick auf die Toreinfahrt und den Weg zum Haus. Vor 100 Jahren ist Kogan hier ein und aus gegangen. Er ist bestimmt gerne hierher gekommen.

 

 

 

 

Haus de WiegerHaus de WiegerDann gehe ich zu Fuss durch die Stadt, an der Kirche vorbei, in den abgelegeneren Oude Liesselseweg“ zum Museum de Wieger. Ich meldete mich hier vor einiger Zeit per Mail an, hatte aber keine Antwort bekommen. Als ich an der Kasse an eine Mitarbeiterin der Verwaltung weitergeleitet werde, stellte es sich nach einer Weile heraus, dass meine Mail nie angekommen war. Das Museum besitzt aktuell keine Arbeiten von Kogan. Drei Arbeiten im Archiv sind in privater Hand und dürfen nicht gezeigt werden. Es ist ein herrschaftliches Haus, von einem gepflegten Garten umgeben. Eine schöne Atmosphäre. Ich lasse mir Zeit, die aktuelle Ausstellung anzuschauen. In einem Film, der Ausschnitte von verschiedenen Interviews mit Wiegersma zeigt, kann ich einen Eindruck von dessen starkem Charakter bekommen. Ich setze mich mit einer Tasse Kaffee und einem Zigarillo auf die Terrasse vor dem Fenster, an dessen Innenseite Kogan sass. Er innen, ich aussen, getrennt durch die Fensterscheibe. Das ist ein besonderer Moment. 

 

 ca. 1930ca. 193020222022

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich denke, dass das Haus de Wieger für Kogan ein Ort des Friedens war, v.a. als ab 1933 seine Freundschaften und Beziehungen nach Deutschland durch die politische Situation weniger wurden oder abbrachen.

 

Gartenansicht vom Haus de WiegerGartenansicht vom Haus de Wieger

Kogan und WiegersmaKogan und Wiegersma

Hendrik und Nel am offenen Kamin, auf dem drei Skulpturen von Kogan stehen.Hendrik und Nel am offenen Kamin, auf dem drei Skulpturen von Kogan stehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kogan in Weimar 2021

 

Spontan entschliesse ich mich auf der Rückreise von Görlitz kurz in Weimar Halt zu machen. Es wird schon an die 20 Jahre her sein, dass ich zum letzten Mal in dieser schönen Stadt war. Ein Muss: der Theaterplatz mit der Skulptur von Goethe und Schiller und Goethes Gartenhaus. Ich erlebe eine lebendige Studentenstadt, viele junge Menschen, schöne alte Straßenzüge. Ich fühle mich wohl hier.

 

Helen Shiner gibt mir noch schnell ein paar wichtige Daten zum Aufenthalt von Kogan in dieser Stadt durch. Er wurde 1912 durch die Vermittlung von Karl Ernst Osthaus an die Kunstgewerbeschule in Weimar berufen, die von Henry Van de Velde gegründet war. Helen Shiner erzählte mir, dass Kogan wohl einige Zeit warten musste, bis Van de Velde das Geld für die Lehrstelle zusammen hatte. Er hatte Kogan zu früh kommen lassen. So nutze Kogan die Zeit mit ausgiebigen Spaziergängen im Wald und Meditation. Kogan war wohl oft bei der Familie Van de Velde zu Gast. Aus diesem Grund besuche ich deren Wohnhaus, das „Haus Hohe Pappeln“, das heute ein Museum ist. Van de Velde hat es selbst geplant. Ein sehr schöner Ort.

 

Haus Hohe PappelnHaus Hohe Pappeln

Blick ins EsszimmerBlick ins Esszimmer

 

 

  

 

 

 

 

 

 

Dann gehe ich durch die Rudolf-Breitscheid-Straße, in der Kogan gewohnt hat, und weiter zum Gebäude der ehemaligen Kunstgewebeschule, der heutigen Bauhaus-Universität Weimar. Im Hof der Universität findet gerade ein Lesung für eine kleine Studentengruppe statt. Ich setze mich in den Schatten eines Baums und beobachte die Situation. Wie gern würde ich jetzt einen Zeitsprung machen und einer Stunde in der Kogan-Klasse beiwohnen. Hier war er für eine kurze Zeit als Lehrer tätig, mein „Meister“.

 

Rudolf-Breitscheid-StraßeRudolf-Breitscheid-Straße

ehemalige Kunstgewerbeschuleehemalige Kunstgewerbeschule

 

 

 

 

 

 

 

 

Kogan in Neuss 2021

 

Die Vorfreude ist groß auf den Besuch des Clemens Sels Museums in Neuss Ende März 2021. Wieder wir mir die Tür eines Archivs geöffnet, um weitere Arbeiten von Kogan zu sehen. Dr. Bettina Zeman, Kustodin des Museums, lud mich auf meine Anfrage zu einem Besuch ein. Mein Sohn Tomas Kleiner, der in Düsseldorf als Künstler arbeitet, wohnt nur 13 km vom Museum entfernt. So lassen sich beide Orte mit einer Reise wunderbar verbinden. Ca. 60km östlich von Neuss liegt Hagen, wohin der Kunstsammler und Mäzen Karl Ernst Osthaus 1910 für einige Monate Kogan als Lehrer an die Schule des Folkwang-Museum holte. Das Clemens Sels Museum besitzt mehrere Grafiken, Skulpturen und Reliefs von Kogan. Die plastischen Arbeiten wurden in den Jahren 1958 bis 1960 vom Clemens Sels Museum erstanden, das damals unter der Leitung von Irmgard Feldhaus stand.

 

Ich werde von Frau Dr. Zeman herzlich begrüßt. Sie erzählt mir, dass auch ihr die Arbeiten von Kogan sehr gefallen. Es gab wohl für längere Zeit eine „Kogan-Vitrine“ in der ständigen Ausstellung des Museums. Ich hatte vor dem Besuch Bescheid gegeben, dass ich mich auf die Besichtigung der Skulpturen und Reliefs beschränken werde. Martin Langenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums, führt mich ins Archiv. Er wird nun für mich eine Arbeit nach der anderen aus ihren „Verstecken“ holen, so dass ich sie mir in Ruhe anschauen kann. Es sind vor allem zwei Arbeiten, die mich sehr interessieren, da ich sie seit Beginn meines Projektes durch Fotografien kenne und in mein Herz geschlossen habe:

  • Ruhende“ Große Liegende mit Spitzentuch, 1929, Schamotte, 57cm x 83cm x 6cm

  • Sitzende mit angewinkeltem rechten Bein und geneigtem Kopf, um 1933, Terrakotta, 37cm x 12,4cm x 17,2cm

Außer dieser Arbeiten bekomme ich noch weitere acht zu Gesicht, vier Skulpturen aus Terracotta und vier Reliefs, eines davon aus Bronze.

 

Die „Ruhende“ ist im Archiv gehängt aufbewahrt, so dass ich sie in ihrer ganzen Pracht erleben kann. 2015 habe ich das von Kogan bevorzugte Prinzip des Negativschnitts an Hand eines Fotos der „Ruhenden“ geübt. Es entstand dadurch eine verkleinerte spiegelbildliche Kopie. Ich nannte sie die „Schwebende“. Ich fertigte mehrere Ausformungen aus Terrakotta an. Eine ungebrannte Form nahm ich im November 2015 mit nach Auschwitz-Birkenau, wo ich sie in der frisch gepflanzten Birkengruppe an der Judenrampe ablegte. Weitere Versionen habe ich an verschiedene Menschen weitergegeben.

 

Der Besuch des Clemens Sels Museums war besonders für mich, da ich zum ersten Mal Vollplastiken von Kogan anschauen konnte. Sie haben eine besondere Ausstrahlung. Vielleicht passt der Ausdruck provisorisch zu ihnen. Etwas nicht ganz Fertiges oder ein Zwischenstadium. Bis auf die „Ruhende“, die doch sehr abgeschlossen wirkt, könnten die anderen Arbeiten wie ein Zwischenprodukt auf dem Weg zum Ziel angesehen werden. Und das ist es, was mich so anspricht bei Kogans Kunst: Sie öffnet durch ihre Leichtigkeit und Spontanität Raum für Genialität. Sie macht mir Mut.

 

 

"Ruhende" (Große Liegende mit Spitzentuch)"Ruhende" (Große Liegende mit Spitzentuch)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Sitzende mit angewinkeltem rechten Bein und geneigtem KopfSitzende mit angewinkeltem rechten Bein und geneigtem Kopf

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stehender Frauenakt mit Hand an der HüfteStehender Frauenakt mit Hand an der Hüfte

 

 

 

 

 

 

 

 

Detail Weiblicher Akt mit verschränkten Armen, schreitend, aus dem Triptychon Drei weibliche AkteDetail Weiblicher Akt mit verschränkten Armen, schreitend, aus dem Triptychon Drei weibliche Akte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kogan in Zürich 2020

 

Meine Reise auf Kogans Spuren führte mich in diesem Jahr ein zweites Mal in die Schweiz. Diesmal nach Zürich, wo Kogan 1921/22 an drei verschiedenen Orten zeitweise gewohnt hatte. Helen Shiner hat mich dankenswerter Weise wieder mit den Daten versorgt. Sie wies mich darauf hin, dass sich in der Sammlung des Museums für Gestaltung vier Arbeiten von Kogan befinden. So nahm ich im Vorfeld der Reise Kontakt mit Barbara Junod, Kuratorin der Grafiksammlung und Julia Klinner, Dokumentarin der Kunstgewerbesammlung auf. Wie bei den letzten Museumsbesuchen erlebte ich ein wohlwollendes Entgegenkommen und wir vereinbarten einen Besuchstermin. Ein Freund, der in der Nähe von Zürich lebt und der mein Moissey Kogan Projekt kennt, konnte es einrichten mich an diesem Tag zu begleiten.

 

Das Toni Areal, in dem sich das Museum für Gestaltung befindet, ist ein lebendiger Ort. Es ist seit 2014 der Campus der Züricher Hochschule der Künste und darüber hinaus ein Bildungs- und Kulturzentrum. Ich melde mich im Foyer des Museums an und werde von Frau Klinner in die Räume der Sammlung geführt. Meine Spannung steigt, als Frau Klinner Kogans Arbeiten holt und in einem abgetrennten Raum auf einem Tisch auslegt. Im vorausgegangenen Mailverkehr hat mir Frau Klinner geschrieben, dass sie bei ihrer Recherche einen Eintrag im handschriftlichen Inventarbuch gefunden hatte, der den Ankauf der vier Objekte im Jahre 1921 dokumentiert:

«M. Kogan, Hadlaubstr. 17, Zürich

(KGS-0) 8363 Stickerei: Sitzende, Seide auf Kanevas, Umrisse gemalt Kupfer 100,-

(KGS-0) 8364 Holzschnitt: weibliche Figur im Faltenkleid, Bronze auf Kupfer Grund 50,-

(KGS-0) 8365 Holzschnitt, 2 weibliche Figuren schwarz 25,-

(KGS-0) 8366 Holzschnitt, weibliche Figur im Faltenkleid in Goldbronze 25,-

g: Fr 200,-»

Und nun sitze ich den Originalen direkt gegenüber!


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Holzschnitte kommen mir sehr vertraut vor. Zweimal das Motiv der Tänzerin Bara- die Verbindung zu meinem Besuch in Ascona- und die beiden weiblichen Figuren, die mir bei Fotos von Kogans Arbeiten schon oft begegnet sind. Ganz besonders aber finde ich die Stickerei, da die aufwendige Technik wahrzunehmen ist. Hierzu ein Link zum digitalen Museum:

https://www.emuseum.ch/objects/97267/-

 

Im Anschluss machen wir uns mit der Tram und zu Fuß auf den Weg zu den Wohnorten Kogans.

 Hadlaubstraße  17, ein NeubauHadlaubstraße 17, ein Neubau

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gemeindestrasse 17Gemeindestrasse 17

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Unionstraße 6Unionstraße 6

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es war wieder ein besonderes Erlebnis für mich auf den Spuren meines „Meisters“ zu gehen. Im Nachhinein wird mir deutlich, dass ich noch zu wenig weiß, was Kogan hier in Zürich erlebt hat, mit welchen Menschen er zusammentraf. War er hier auch in die theosophische Gesellschaft eingebunden? Vielleicht finde ich noch etwas heraus.

 

 

 

Kogan in Ascona 2020

 

 Recht spontan war eine kurze Reise nach Ascona, in mein geliebtes Tessin, angesagt. So konnte ich an den Aufenthalt im Sommer 2015 anschliessen, als ich mich an diesem Ort anfänglich Kogans Kunst nähern konnte. Ich fertigte damals freie Kopien seiner Skulpturen an. Kogan hat einige Zeit in Ascona gelebt, hatte sogar im Vorort Losone ein Haus gebaut.

 

Im Vorfeld hatte ich Kontakt mit dem Museo Communale d'Arte Moderna in Ascona aufgenommen. Ich wollte gern das von Otto van Rees gemalte Portrait von Kogan sehen. Ich bekam von Michela Zucconi-Poncini aus der Verwaltung des Museums eine freundliche Zusage. Sie veranlasste, dass eine ihrer Mitarbeiterinnen das Gemälde für mich aus dem Archivlager holte. Das Museum lag noch im Winterschlaf. Die Saison begann erst eine Woche später.

 

 Das Gemälde ist größer als ich gedacht habe. Kogan ist überlebensgroß dargestellt. Es ist in matten Braun- und Grautönen gehalten. Kogan- zu der Zeit zwischen 43 und 44 Jahre alt- wirkt in sich gekehrt, ernst. Ich versuche mich in den Moment des Entstehens des Werkes zu vertiefen. Vor fast 100 Jahren (1923/24) saßen sich diese beiden Künstler gegenüber. Van Rees nahm damals Kogan auf intensive Weise wahr, nahm sein Wesen, seine Stimmung auf, und ließ dies in die Darstellung auf der Leinwand einfließen. Das war bestimmt eine innige Begegnung. Vielen Dank für die Möglichkeit, eine neue Facette von Moissey Kogan zu erleben.

 

 

 

 

Auf dem Friedhof von Ascona besuchte ich das Grab von Marianna Werefkin, der russischen Malerin, der Kogan sehr verbunden war. Das ist die Verbindung zur Giselastraße in München-Schwabing, wo Kogan ein häufiger Gast bei Werefkin und Jawlenski war. 

 

 

Außerdem ist hier auch Charlotte Bara beerdigt, eine Tänzerin, von der Kogan verzaubert war. Er hat sie in einem Holzschnitt verewigt. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Auch den Monte Verità hab ich zum wiederholten Male besucht. Es existiert von dort ein Foto von Kogan, im Garten sitzend, zwischen Isa Speyer und Alfred Flechtheim.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ascona ist ein sehr schönes Stück Land auf dieser Erde. Ich kann Kogan gut verstehen, dass er gern hier verweilte.

 

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Kogan im Gerhard Marcks Haus in Bremen 2019

 

Unsere Urlaubsplanung führte meine Frau und mich dieses Jahr an die Nordsee. Mir fiel ein, dass 2002 eine große Kogan-Ausstellung im Gerhard Marcks Haus in Bremen stattgefunden hatte. Im Rahmen meiner Recherche fand ich auf der Homepage des Museums den Hinweis auf drei sich in der Sammlung befindlichen Werke von Kogan. Ob es wohl möglich wäre, diese zwei Grafiken und das Relief zu Gesicht zu bekommen? Das würde einen Tagesausflug nach Bremen lohnen. Auf meine Anfrage bekam ich eine positive Antwort von Dr. Veronika Wiegartz, der Kustodin und Stellvertreterin der Museumsdirektion, und wir vereinbarten einen Termin.

 

Frau Dr.Wiegartz empfing uns sehr freundlich in den im Kellergeschoss liegenden Büroräumen des Museums. Gespannt warteten wir, als sie uns vor einem leeren Tisch zurückließ, um die Stücke aus den „Katakomben“ zu holen. Sie brachte zuerst die beiden Linolschnitte: ‘Mädchen mit Chrysanthemen’ und ‘Zwei hockende Mädchenakte’. Das Motiv der hockenden Mädchen erinnerte mich sehr an die Radierung, die ich von Kogan besitze. Die Spannung stieg - gleich würde ich die erste originale Plastik von Kogan sehen! Und dann lag sie schließlich vor mir, und ich konnte sie ausgiebig betrachten. Ja, ich durfte sie sogar in meinen Händen halten und konnte lange in mich hineinsinnen.

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich war erstaunt über die Kleinheit des in Terracotta gearbeiteten Reliefs. Es strahlt etwas von einem Altar in Miniatur aus. Zwei übereinanderstehende Räume sind dargestellt, die jeweils mit einem bogenförmigen Himmel abschließen. Im oberen Raum sieht man zwei sich gegenüber knieende, nackte weibliche Wesen, die sich ihre Hände zustrecken. Tragen sie gemeinsam etwas Unsichtbares, das sich zwischen ihnen befindet? Im unteren Raum sind vier Personen dargestellt. In der Mitte stehen zwei sich gleichende weibliche Figuren, gekleidet in lange Gewänder und jeweils die Arme vor der Brust gekreuzt. Sie sehen aus wie Göttinnen, haben etwas Statisches an sich. Vom Betrachter aus links neben ihnen kniet eine ihnen sich ehrfürchtig zuneigende männliche Person. Auf der rechten Seite ‘spiegelt’ sich diese Person in weiblicher Ausführung. Das Relief ist in der für Kogan so typischen Weise des Negativschnittes ausgeführt. Das hier zu sehende Positiv entstand also durch das Ausformen des Gipsnegativs mit weichem Ton. Kogan hat es in seiner besonderen, ihm eigenen Art durchgeführt, an der man ihn so gut wiedererkennt. Der in die Form gedrückte Ton wirkt fast wie unachtsam bearbeitet. Faltungen bleiben sichtbar stehen. Beschädigungen, die durch das Abziehen des Tones aus der Form entstanden sind, werden belassen. Der Rand des Reliefs darf so provisorisch bleiben, wie er entstanden ist. Die Rückseite scheint mit einem nassen Schwamm bearbeitet zu sein, vielleicht in der Absicht, eine relativ einheitliche Oberfläche entstehen zu lassen.

 

Wie ist ein Künstler geartet, der solch rätselhafte Motive wählt, der so unbekümmert mit dem Material umgeht? Ich glaube, dass ich Kogan wieder ein wenig näher gekommen bin. Beglückt verabschiedeten wir uns von Frau Dr. Wiegartz und ihren Mitarbeiterinnen. Vielen Dank für dieses besondere Erlebnis!

 

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Auf den Spuren von Moissey Kogan in Paris Juni 2019

Vorletztes Jahr habe ich bei Tjerk Wiegersma eine Radierung von Kogan erstanden. Sie ist mit „Kogan Paris“ signiert. Als ich nun am Planen einer Reise nach Paris war- mit dem Wunsch endlich einmal den Louvre zu besichtigen- kam mir die Idee, diese mit dem Besuch der Pariser Lebensorte von Kogan zu verbinden. Helen Shiner versorgte mich dankenswerterweise mit allen wichtigen Daten. So reiste ich in Paris an- im Gepäck die Adressen der fünf Stationen seiner Aufenthalte in dieser Künstlerstadt.

 

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